Erfolgreiche Zusammenarbeit im Team ist ein Evergreen und Mysterium zugleich. Unter den Bedingungen der sog. ‚Neuen Normalität‘ wird uns wieder einmal vor Augen geführt, dass eine funktionierende oder gar erstklassige Zusammenarbeit im Team kein Selbstläufer ist.
Viele Teams und deren Führungskräfte straucheln derzeit, weil sie durch lange Lockdowns im Home-Office den Team-Spirit und die Motivation verloren haben. Dies ist eine besonders bittere Erfahrung, wenn es vorher vermeintlich optimal lief. Aber ein einfaches Zurück-ins-Büro bringt per se keine Lösung, genauso wenig wie neue Betriebsvereinbarungen, die Home-Office und Anwesenheit im Büro kombinieren.
Es gibt kreative Ansätze, Büroflächen als flexible Arbeitsplätze mit vielen Meeting-Möglichkeiten umzugestalten. Andere kommen zu dem Schluss, sich komplett vom Büro zu verabschieden und jedem Mitarbeiter freizustellen, von wo er arbeitet. Bei Bedarf eines physischen Treffens werden Co-Working Spaces angemietet.
Solche Entwicklungen sind sicherlich hilfreich, betreffen jedoch nur die äußeren Rahmenbedingungen für Zusammenarbeit. Gebraucht wird dennoch eine Idee, wie die Interaktion zwischen Menschen tatsächlich in der jeweiligen Konstellation stattfinden soll. Oftmals wird dann pauschal auf die „New Work“ Konzepte verwiesen. Aber deren Anwendung ist für die Organisationen und vor allem die arbeitenden Menschen in der Praxis nur eine neue, zusätzliche Herausforderung. Wenn die Heilsversprechen nicht eintreten, heißt es von Seiten der „New Work Berater“, die Organisation müsse zuerst ihre Kultur ändern, sonst könne das nicht funktionieren. Zum Glück gibt es auch dafür die passenden Beratungsangebote.
Aber Spaß beiseite, insgesamt stehen den Teams heute nie dagewesene Möglichkeiten zur Verfügung, ihre Zusammenarbeit neu zu erfinden. Vieles wurde erlernt, vieles hat eine breite Akzeptanz gewonnen. Darauf wollen wir uns im Folgenden konzentrieren.
Angeregt durch unsere eigenen Erfahrungen und Lerneffekte als Teamleads und Coaches schlagen wir hier das Konzept des ‚Collaboration Sprints‘ vor. Es vermittelt jedem Team konkrete, planbare Schritte, um gemeinsam erfolgreich sein zu können, und zwar dort wo es gerade steht. Das bewusste Erleben von Team-Erfolg hat nach unserer Erfahrung eine nachhaltig motivierende Wirkung auf alle Beteiligten (der Harvard Business Manager bezeichnet dies etwas wissenschaftlicher „psychologisches Empowerment“, siehe Ausgabe 12/2020 „Die New Work Lüge“).
Unser Collaboration Sprint beinhaltet somit eine Kombination aus Kern-Elementen der Erlebnis-Pädagogik und bewährten, agilen Arbeitsmethoden, die innerhalb eines iterativen Prozesses orchestriert sind.
Ein Sprint ist eine definierte Zeitspanne, in der ein lohnenswertes Ziel auf Basis von Teamwork erreicht werden soll. Mit jedem Sprint kann sich das Team neuen Herausforderungen stellen und höhere Ziele anstreben. Wichtig ist dabei eine gute Balance zwischen zunehmenden Anforderungen und steigenden Team-Fähigkeiten zu finden, um in einen Flow-Zustand zu kommen und diesen zu halten. Denn im Flow-Zustand herrschen optimale Bedingungen für Lernen und Entwicklung. Die Zyklen des Collaboration Sprints mit ihren festen Abschnitten und Gelegenheiten zur Selbstreflexion und Neuausrichtung des Teams sind genau dafür da, die Balance immer wieder gemeinsam neu zu finden.
Der ‚Collaboration Sprint‘ ist für jegliche Art von Team geeignet, weil er lediglich eine Struktur und bestimmte Prinzipien vorgibt. Die Inhalte und die konkrete Ausgestaltung können und müssen für die jeweilige Teamkonstellation und Zielsetzung angepasst werden. Das Team muss hierfür aber keine neuen Rollen (im Gegensatz zu Scrum) erlernen. Jeder soll authentisch genau in der Teamrolle, Position und Persönlichkeit agieren, die er mitbringt. Das Gleiche gilt für die Auswahl des Sprintziels. Es handelt sich um ein kooperatives Teamziel, welches für die Organisation, in der sich das Team befindet, einen Mehrwert bringt. Ob das Team während des Sprints 100% nur an dem Sprintziel arbeitet oder dieses in Einklang mit Routinetätigkeiten und Tagesgeschäft bringen muss, hängt ganz von der jeweiligen Situation ab. Der Arbeitsmodus sollte aber in jedem Fall Teil der Zielklärung und Planung mit dem Team sein.
Es ist empfehlenswert, dass jedes Team von einem entsprechend ausgebildeten Coach oder einer Führungskraft durch den Collaboration Sprint begleitet wird. Dieser ‚Sprint Master‘ stellt sicher, dass der Prozess nach Plan läuft, die Events durch Einsatz zielgerichteter Methoden Ergebnisse liefern, und sich das Team ansonsten ganz auf seine Aufgaben und Ziele konzentrieren kann. Achtung: Insbesondere wenn die Führungskraft des betreffenden Teams die Sprintmaster-Funktion übernimmt, ist „Servant Leadership“ gefragt. Also, keine Probleme anstelle des Teams lösen oder Druck ausüben, damit das Ziel erreicht wird.
Goal Setting: Definition eines team-individuellen Sprintziels mit Erfolgskriterien. Es handelt sich um eine Herausforderung, die das Team nur gemeinsam schaffen kann und deren Ergebnis wirklich attraktiv für die Organisation ist.
Planning: Konzeption des ans Team und Sprintziel angepassten Workshop-Designs, Festlegen der Lokationen und Zeitintervalle sowie Planung der Team-Events.
Offsite Workshop: Ein Team-Event, welches abseits der gewohnten Arbeitsumgebung stattfindet und ermöglicht, neue Perspektiven einzunehmen. Das Team entwickelt ggfs. neue Arbeitsweisen und definiert konkrete nächste Schritte Richtung Ziel.
Es folgt eine Grow Phase von 1-3 Wochen: Das Team arbeitet in seiner gewohnten Umgebung, ist fokussiert auf das Ziel und setzt die gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis um.
Energizer: Ein Team-Event, welches etwa zur Halbzeit des Sprints stattfindet. Demo bisher erreichter Ergebnisse durch das Team und gemeinsame Reflexion der bisherigen Zusammenarbeit sowie ggfs. Optimierungen. Das Event gibt dem Team einen Motivationsschub für den Endspurt.
Es folgt eine erneute Grow Phase von 1-3 Wochen: Das Team arbeitet wieder in seiner gewohnten Umgebung. Diesmal geht es ums Ganze – die Erreichung des Sprintziels.
Goal Review: Das große Sprint-Finale. Abschluss-Demo der erreichten Ergebnisse und Erfolgs-Check hinsichtlich Sprintziel, außerdem Reflexion der Bereitschaft zu Selbst-Organisation und Resilienz im Team
Nach dem Sprint ist vor dem Sprint. Es kann direkt wieder ein neuer Sprint mit höher gesteckten Zielen begonnen werden. Der Zyklus beinhaltet die gleichen Schritte, aber inhaltlich sollte sich das Team steigern, um nicht in eine business-as-usual Routine zu verfallen.
Es kommt nicht nur darauf an, „Was“ man tut, sondern auch „Wie“ man es tut. Die Art und Weise des Miteinander-Umgehens in einem Collaboration Sprint bezeichnen wir als Buddy-Prinzip. Darunter verstehen wir bestimmte kooperative Verhaltensweisen gepaart mit einer Einstellung, die über die gewöhnliche, professionelle Kollegialität hinausgeht. Allerdings lässt sich das nicht wirklich beibringen oder erzwingen. Solche Versuche kippen schnell in Richtung Gehirnwäsche. Wir leben die Prinzipen vor und geben dem Team Gelegenheiten, diese zu adaptieren. Im Regelfall finden sich die Buddies dann von selbst. Gelebtes Buddy-Prinzip stärkt das Team von innen. Während des gesamten Sprintverlaufs erzeugen wir Ereignisse, in denen das Team Vertrauenskultur in Team bewusst erleben und weiterentwickeln kann:
Es muss nicht extra betont werden, dass eine solide Vertrauensbasis den Teams und Organisationen gerade in schwierigen Zeiten die notwendige Stärke und Stabilität verleiht.
Für alle, die einen Collaboration Sprint mit ihrem Team selbst durchführen möchten, beschreiben wir im nächsten Artikel die einzelnen Schritte in Form einer do-it-yourself Anleitung. Wir skizzieren auch Methoden und Tools, die für uns gut funktionieren. Dies ersetzt jedoch nicht eine fundierte, methodische Ausbildung gepaart mit Praxiserfahrung. Es ist wichtig, dass die Team Events handwerklich gut ausgeführt werden. Ansonsten werden sie nicht den gewünschten Effekt erzielen.
Wir hoffen, dass wir mit dem Collaboration Sprint viele Teams und einzelne Menschen erreichen. Da wir aus der Praxis kommen, wissen wir aus erster Hand, welchen Herausforderungen Menschen in der heutigen Arbeitswelt begegnen. Schließlich müssen wir selbst tagtäglich Lösungen dafür finden. Deshalb teilen wir auch die Überzeugung, dass niemals das Ende der Lernmöglichkeiten erreicht ist. Jeder interessierte Leser oder Anwender sei dazu ermutigt, uns zu kontaktieren, Erfahrungen auszutauschen oder Fragen zu stellen. Wir freuen uns über jede Rückmeldung.